Die neue Kommission weckt vorerst geringe Erwartungen

Am 1. Dezember hat die neue Europäische Kommission ihre Amtsgeschäfte aufgenommen.

Referent Arbeit, Gesellschaft und Soziales

Alexander Suchomsky

Am 1. Dezember hat die neue Europäische Kommission ihre Amtsgeschäfte aufgenommen. Mit insgesamt 27 Mitgliedern ist sie deutlich größer als beispielsweise das Bundeskabinett in Berlin. Dafür mag man im Sinne des klassischen Proporzdenkens, das jedem Mitgliedsland einen Platz am Kommissionstisch zuspricht, Verständnis haben. Immerhin versammelt sich an der Spitze der neuen Brüsseler Exekutive eine Menge Fachkompetenz, darunter ehemalige Regierungschefs, Außen- und Finanzminister aus den Mitgliedsstaaten.

Zu begrüßen wäre allerdings, wenn Aufgabenbereiche klarer definiert und deutlich voneinander abgegrenzt wären. Zwar finden sich in der neuen Kommission weiterhin klassische Ressorts, darunter die Bereiche Wettbewerb und Handel, Landwirtschaft und Haushalt. Bei genauem Hinsehen gewinnt man jedoch den Eindruck, dass nicht wenige Dossiers nur vage umschrieben und Kompetenzüberschneidungen vorprogrammiert sind. Dies birgt die Gefahr, dass sich die Kommissar*innen und die ihnen unterstehenden Generaldirektionen bei wichtigen Initiativen blockieren oder in ihrer Wirkung sogar neutralisieren. 

Inhaltlich zielt die Agenda der neuen Kommission auf die Steigerung von Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit. Hier hat Europa im Konkurrenzkampf mit anderen großen Wirtschaftsräumen in der Tat Nachholbedarf. Gleichzeitig lässt der Fokus auf Wirtschaft und Wettbewerb befürchten, dass die bisherigen Bemühungen um den Green Deal 
in den Hintergrund treten.

Unbeantwortet bleibt auch die Frage, in welchem Ausmaß die Wirtschafts- und Währungsunion zukünftig von einer sozialen Dimension flankiert wird. Der neue Zuschnitt der Brüsseler Administration lässt eine klare sozialpolitische Handschrift vermissen. So wird es der Bezeichnung nach keinen klassischen Sozialkommissar mehr geben. Dabei hatte die soziale Dimension unter von der Leyens Vorgänger Jean-Claude Juncker deutlich Gestalt angenommen – Stichwort Europäische Säule sozialer Rechte. Und auch die Kommission von der Leyen war in ihrer ersten Amtszeit sozialpolitisch nicht untätig – Stichwort Mindestlohnrichtlinie.

Man darf gespannt sein, ob der starre Blick auf Fragen von Wachstum und Wettbewerb Spielraum für andere wichtige und drängende Fragen lassen wird. Auch wird sich zeigen, ob die 26 Kommissar*innen mit ihrer Erfahrung und Kompetenz zu einer Vertiefung der Europäischen Union beitragen können. Oder potenzielles Kompetenzgerangel häufige Machtworte der Präsidentin unerlässlich macht – ganz im Sinne des lateinischen Ausspruchs “Divide et impera!” (Teile und herrsche!). Große Erwartungen weckt die neue Kommission angesichts dieser Unwägbarkeiten jedenfalls noch nicht.

alexander.suchomsky@kolping.de

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