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Ohne das Handwerk würde es das Kolpingwerk so nicht geben. Schließlich gründete Adolph Kolping – selbst gelernter Schuhmacher – vor 175 Jahren seinen katholischen Gesellenverein, um Handwerkern unter die Arme zu greifen. Grund genug, zu schauen: Wie wird Handwerk heute gelebt? Wie hat es sich verändert – und was ist seit Jahrhunderten gleich? Über Meister, Gesellen und Lehrlinge.
“Meine schönsten Kindheitserinnerungen sind es, als Kleinkind durch die Brauerei meines Opas zu laufen”, schwärmt der 35-jährige Paul Nolte mit leuchtenden Augen. Der Familienbetrieb lag in Köln-Ehrenfeld. "Ich wollte schon immer mein eigenes Bier brauen", sagt Paul. Diesen Traum hat sich der Braumeister mittlerweile erfüllt. Nach dem Abitur bestand sein Vater darauf, dass er erst mal ein Studium absolviert. Also hat Paul BWL in Holland und Dänemark studiert. Das hat ihm zwar Spaß gemacht, war aber nichts im Vergleich zu der Brauerlehre und der Ausbildung zum Braumeister. "Das war die coolste Zeit!", begeistert sich der Kölner.
Eine eigene Brauerei hat Paul nicht. “Ich bin ein Wanderbrauer”, sagt er und erklärt: "Zum Brauen nach meinem Familienrezept miete ich mich ein bis zweimal im Monat bei Kollegen ein und fahre dort meinen eigenen Sud". Sud fahren nennt man den Brauvorgang. "Für das Einmaischen, das Kochen und das Läutern geht ein halber Tag drauf. Dann wird der Sud im Gärungstank mit der Hefe verheiratet", sagt Paul. In diesem Prozess entsteht der eigene Charakter von Pauls Bier.
Verschiedene Wege zum eigenen Bier
Heute besucht Paul Patrick Schroeder in dessen kleiner Brauerei in Mönchengladbach. Manchmal kreieren die beiden gemeinsam ein besonderes Bier in kleiner Auflage. Auch wenn die beiden eigentlich Konkurrenten sind, gehören sie als Brauer einer Gemeinschaft an. “Man hilft sich gegenseitig. Die Brauerwelt ist sehr klein. Vielleicht benimmt man sich deswegen gut, weil man sich immer wieder über den Weg läuft”, sagt Patrick augenzwinkernd. “Wir sind schon eine coole Truppe und alles andere als steif”, fügt er lachend hinzu.
Im sogenannten Sudhaus, zwischen chromblitzenden Kesseln und Bierfässern, kippen die beiden Braumeister Gerste in einen Kessel. Patrick braut hier seit 2017 gemeinsam mit seinen Partnern schmackhafte Biere in Eigenkreation. “Den Modebegriff ‘Craft Beer’ mag ich nicht”, sagt der 47-jährige Braumeister. Patrick knüpft lieber an die deutsche Tradition des Brauhandwerks an. So lautet der Slogan auf seiner Homepage: "We don`t call it Craft Beer. We call it Brauhandwerk". Auch Paul nutzt für seinem größten Erfolg ein altes Braurezept: das untergärige Nolte Cristall. Doch dafür ist das Sudhaus von Patrick viel zu klein: Davon braut er immer gleich 10.000 Liter.
Ein Beruf mit vielen Möglichkeiten
Die Arbeit als Brauer ist Leidenschaft pur. Da sind sich Paul und Patrick einig. “Es gibt keine vielfältigere Ausbildung”, schwärmt Paul. Man lerne Biologie, Chemie, Physik und den Umgang mit Maschinen, sagt er. Aufgrund der fundierten ernährungswissenschaftlichen Kenntnisse könne man danach in der Lebensmittelindustrie oder in der Pharmabranche arbeiten, berichtet Paul. Mitbringen müsse man das Interesse an einem Naturprodukt, die Lust, mit den Händen etwas zu tun und man dürfe keine körperliche Arbeit scheuen. “Dass man ein geborener Biertrinker sein muss, ist ein Gerücht”, schmunzelt Patrick. Er hat sogar mal einen Braumeister gekannt, der aufgrund seiner Religion gar kein Bier getrunken hat. "Mittlerweile machen immer mehr Frauen die Ausbildung zur Brauerin", sagt Paul. So etwa 10 Prozent seien das mittlerweile, schätzt er. Und um die Zukunft des Berufes müsse man sich auch keine Sorgen machen, denn: “Bier getrunken wird immer. In guten, wie in schlechten Zeiten”, lacht Paul.
Das Beste zum Schluss
“Man sieht, was bei der Arbeit rumkommt und das wird gewürdigt von den Leuten. Das ist eine wahnsinnige Genugtuung”, freut sich Paul Nolte.
Handwerk in Zahlen
363.000 junge Menschen lernen in Deutschland gerade ein Handwerk. Jedes Jahr kommen rund 140.000 neue hinzu. Denn Handwerk hat viel zu bieten: gute Verdienstmöglichkeiten, Fachkräfte sind gefragt wie nie. Hammer und Hobel gehören auch heute noch in den Werkzeugkasten, doch längst werden in den Gewerken öfter Laptop und Laser gezückt, als der Zollstock.
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