Interview mit Alexander Suchomsky

"Langfristig sollten alle Arbeitnehmenden die Möglichkeit auf 35 Stunden pro Woche haben."

Jacqueliné Fegers

Alexander Suchomsky ist studierter Volkswirt und Fachreferent für Arbeitswelt und Soziales beim Kolpingwerk Deutschland. Seit fünf Jahren ist er Bundesgeschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Arbeitnehmerorganisationen.

Kolpingmagazin: Wie siehst Du die Entwicklung der wöchentlichen Arbeitsstunden?
Alexander Suchomsky: "Die 40-Stunden-Woche gilt in Deutschland als Standard für eine Vollzeitstelle. Seit einiger Zeit wird allerdings über die Möglichkeiten von Arbeitszeitreduzierungen diskutiert, insbesondere mit Blick auf eine 32-Stunden-Woche bzw. eine Vier-Tage-Woche. Über das Für und Wider kann man trefflich streiten. Es gibt positive Erfahrungen, die zum Beispiel auf einen Anstieg von Arbeitsmotivation und Produktivität hindeuten. Berücksichtigt werden muss aber auch der Fachkräftemangel."

Wie würde sich eine Vier-Tage-Woche auf den Fachkräftemangel auswirken?
Alexander Suchomsky: "Hier kommt das Stichwort 'Demografischer Wandel' ins Spiel. Durch die Alterung der Gesellschaft wird das sogenannte Erwerbspersonenpotential zwischen 20 und 65 Jahren langfristig abnehmen. Dennoch ist es ein bisschen wie mit dem Blick in die Glaskugel, denn das Ausmaß hängt von verschiedenen Faktoren ab: Zum einen davon, ob das wöchentliche Arbeitsvolumen von Frauen, älteren Beschäftigten und Menschen mit Migrationshintergrund weiter steigt. Zum anderen davon, wie hoch die Zuwanderung in Zukunft sein wird. Eine hohe Nettozuwanderung kann sich mildernd auf den Fachkräftemangel auswirken."

Welche Probleme siehst Du bei einer Arbeitszeitverkürzung?
Alexander Suchomsky: "Die Frage nach einer Arbeitsreduktion stellt nicht nur gesamtwirtschaftlich eine Herausforderung dar. Sie wirft auch ein Gerechtigkeitsproblem auf: In bestimmten Branchen ist die 35-Stunden-Woche seit langem Standard, wohingegen in klassischen Dienstleistungsbereichen, wie der Gastronomie oder der Pflege, ein Vollzeitjob bei 40 Stunden pro Woche oder knapp darunter liegt. Vor diesem Hintergrund sollten vielleicht erst einmal alle Arbeitnehmenden die Aussicht auf 35 Stunden pro Woche bei vollem Lohnausgleich erhalten, bevor man über eine Vier-Tage-Woche nachdenkt."

Woher rühren diese Unterschiede?
Alexander Suchomsky: "Dies hängt vor allem vom Organisationsgrad einer Branche ab. Nur 50 Prozent der Beschäftigten in Westdeutschland sind überhaupt in einem tarifvertraglichen Arbeitsverhältnis beschäftigt, in Ostdeutschland sind es noch weniger. In den Branchen, in denen Gewerkschaften über eine hohe Verhandlungsmacht verfügen, herrschen in der Regel bessere Arbeitsbedingungen, was sich in höheren Löhnen, aber auch häufig in einer geringeren Stundenzahl pro Woche niederschlägt. Die letzte Verhandlungsrunde zwischen GDL und Deutscher Bahn zeigt, dass man auch neue Wege gehen kann. Mittelfristig haben Mitarbeitende der DB die Wahl zwischen weniger Arbeitsstunden pro Woche oder einer höheren Vergütung. Das könnte zur Blaupause für weitere Branchen und Unternehmen werden. Klar ist aber auch: Eine flächendeckende 32-Stunden-Woche bräuchte einen gesetzlich festgelegten Rahmen. Hier müsste die Politik eine aktive Rolle übernehmen."

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