Shoppen ohne Reue – worauf wir achten sollten

Heute bestellt, morgen geliefert, nächste Woche aussortiert: "Fast Fashion" schadet dem Klima und beutet Menschen im globalen Süden aus.

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Christian Linker

Doch nachhaltige Mode scheint oft deutlich teurer zu sein – und woran erkennt man überhaupt, dass ein Kleidungsstück ökologisch und fair produziert worden ist?

Sie gehören zum Anblick vieler Parkplätze von Pfarrzentren oder Gemeindehäusern: Altkleidercontainer im vertrauten Kolping-Orange. Rund 3.500 solcher Container warten bundesweit darauf, mit gut erhaltenen Textilien befüllt zu werden. Wem der Weg dahin zu mühsam ist, kann seine Sachen auch bei einer Straßensammlung loswerden, wie sie von vielen Ehrenamtlichen durchgeführt wird. Die verbandseigene Kolping Recycling GmbH kümmert sich um die Wiederverwendung brauchbarer Kleidung und um die Verwertung solcher Textilien, die nicht mehr getragen werden können. Die Erlöse daraus kommen den sammelnden Organisationen zugute – zu 80 Prozent Kolpingsfamilien und andere Verbandsgliederungen, aber auch Sportvereine, Musikkapellen, Bürgerhäuser … 

Die Verwertung von Altkleidung hat sich indes stark gewandelt. Nach einem herben Einbruch während der Corona-Pandemie, als an vielen Straßenecken überfüllte Container zu sehen waren, gab es zunächst eine Erholung. Doch durch den russischen Überfall auf die Ukraine ist der Markt abermals unter Druck. "Russland und Belarus gehörten bis Kriegsbeginn zu unseren wichtigsten Abnehmern", erklärt Stephan Kowoll, Geschäftsführer der Kolping Recycling GmbH. “Durch das Embargo seit Beginn des Krieges können wir in beide Länder nicht mehr verkaufen. Auf die Märkte in Afrika drängt zudem China mit Macht, das führt zu einem Preisverfall.”

Die eigentliche Herausforderung sieht Stephan Kowoll aber vor allem in der ständig nachlassenden Qualität der abgegebenen Textilien. In den orangenen Containern landet immer mehr "Billigware" – oder “Fast Fashion”. Der Begriff bezeichnet Kleidung, die immer schneller, immer preiswerter hergestellt wird und kaum wiederverwendet werden kann. Immer mehr gebrauchte Anziehsachen wandern daher nicht in neue Kleiderschränke, sondern als Dämmstoff in die Autoindustrie oder als Putzmaterial in den Maschinenbau. Manches ist nicht einmal mehr dazu brauchbar, sondern wird der “thermischen Verwertung” zugeführt; mit anderen Worten: verbrannt.

Klimaschutz und Sozialstandards bleiben auf der Strecke

Die schlechten Verwertungsmöglichkeiten am Lebensende der Ware ist dabei nur einer von zahlreichen Kritikpunkten an schneller, preisgünstiger Mode. Denn an Nachhaltigkeit fehlt es meist schon zu Beginn des Lebenszyklus. Viele Kleidungsstücke, die in einem Altkleidercontainer landen, hatten bereits vor der ersten Anprobe eine Weltreise hinter sich: Von der Baumwollplantage bis zur Ladentheke legt ein handelsübliches T-Shirt rund 35.000 Kilometer zurück, das entspricht fast der Länge einer Erdumrundung (siehe Infokasten: “Ein T-Shirt auf Weltreise”). Dabei hat es bereits gut 1.400 Liter Wasser verbraucht und rund 11 Kilogramm CO2 produziert – angefangen vom Anbau über den Transport bis zur Herstellung und Verpackung. Noch einmal 40 Prozent höher als bei Baumwollprodukten ist der Energiebedarf bei Kleidung aus synthetischen Fasern wie Polyester. Zu dieser Hochrechnung kommt eine Studie der Technischen Universität Berlin

Neben dem ökologischen Fußabdruck rufen aber auch die Arbeitsbedingungen Kritik hervor. Nach Schätzungen der gemeinnützigen Organisation Fashion Revolution Germany e.V. sind weltweit 75 Millionen Menschen in der Kleidungsindustrie beschäftigt – zu 80 Prozent junge Frauen, die oft für einen Hungerlohn und unter katastrophalen Hygiene- und Sicherheitsstandards arbeiten. Schon 2013 warf der Einsturz der Rana-Plaza-Textilfabrik in Bangladesch ein Schlaglicht auf die Zustände. Damals wurden 1.138 Menschen – vor allem junge Frauen – getötet, und mehr als 2.500 verletzt. Sie hatten unter anderem für europäische Modefirmen wie Primark und Benetton, C&A und KiK produziert. Die Entwicklung von Lieferkettengesetzen auf staatlicher und europäischer Ebene ist auch eine Reaktion auf diese Katastrophe. Doch die Beschleunigung in der Bekleidungsindustrie wird dadurch nicht gebremst, im Gegenteil: Nach “Fast Fashion” macht inzwischen der Begriff “Ultra Fast Fashion” die Runde. Während noch vor zehn Jahren große Modehäuser ein halbes Jahr brauchten, um eine neue Kollektion vom ersten Entwurf bis zum Verkauf zu entwickeln, werfen Fast Fashion-Unternehmen bereits alle sechs Wochen neue Modelle auf den Markt. Das ist wiederum nichts im Vergleich zum chinesischen Online-Händler Shein (sprich: Schi-in), der permanent bis zu 8.000 neue Produkte ausspuckt – jeden einzelnen Tag. Beim Design hilft Künstliche Intelligenz, die aktuelle Trends in Sozialen Medien scannt oder auch, so ein Vorwurf, einfach Designs
anderer Urheber*innen vollständig kopiert.

"Brauche ich überhaupt etwas Neues?"

Aber es gibt auch gegenläufige Trends. Eine Studie des Beratungsunternehmens PwC hat im Dezember 2024 festgestellt, dass Menschen zwischen 18 und 43 Jahren beim Shopping zunehmend auf Klimaschutz und gerechte Arbeitsbedingungen achten. Doch woran erkannt man fair und ökologisch produzierte Kleidung? Vom Luxuskaufhaus bis zum Discounter bieten Händler*innen inzwischen nachhaltige Mode an, die durch entsprechende Gütesiegel ausgewiesen wird. Rund 230 verschiedene Lable gibt es in Europa, sie beziehen sich auf teils sehr unterschiedliche Standards. Eine, die in diesem Dschungel Orientierung geben möchte, ist die Journalistin und Content Creatorin Marisa Becker. Sie betreibt unter anderem den Blog Ekologiska Mag und den Podcast Fairquatscht, sie schreibt Bücher, und ihrem Instagram-Kanal “Mysustainableme” folgen knapp 50.000 Menschen. Auf die Frage, was für sie der beste Weg zum nachhaltigen Konsum ist, antwortet sie: “Erst einmal gar nichts kaufen. Wenn wir in Ruhe unseren Kleiderschrank mustern, finden wir oft mehr brauchbare Sachen als gedacht, die wir vielleicht einfach neu kombinieren können. Die erste Überlegung beim Kauf könnte also sein – brauche ich überhaupt etwas Neues?”

Und wenn dann doch ein paar neue Teile hermüssen, lohne sich oft ein Blick auf Secondhand-Ware. Um sich beim Neukauf einen Überblick zu verschaffen, empfiehlt die Influencerin zum Beispiel den Lablechecker der Christlichen Initiative Romero, ein Internetportal mit einem Überblick über die verschiedenen Kleidungs-Siegel nach den Kategorien Soziales, Ökologie und Glaubwürdigkeit. Für Marisa Becker gehören diese drei Dinge allerdings zusammen. "Es bringt mir nichts, wenn eine Hose ökologisch produziert, aber von Sklavinnen gefertigt ist. Und selbst wenn Produkte von Discountern tatsächlich fair und klimafreundlich hergestellt sind, frage ich mich trotzdem, ob ich durch den Kauf dieses Produktes den Laden als solches unterstützen möchte."

Verzichten, um zu gewinnen

Neben der schwierigen Orientierung im vielfältigen Angebot nachhaltiger Mode gibt es eine weiteren Hürde für die Konsument*innen: der Preis. Ökologische und faire Produkte stehen im Ruf, teuer zu sein. Und auch, wenn es "grüne" T-Shirts schon für 15 Euro gibt, sind die 2,80 Euro beim Online-Händler Temu nicht zu schlagen. Marisa Becker sieht das differenziert. "Es ist absolut unangemessen, mit dem Finger auf Bürgergeldempfänger*innen zu zeigen, die preiswerte Kleidung kaufen, weil sie das einfach müssen", sagt die Journalistin. “Wenn einfach diejenigen, die sich nachhaltige Produkte leisten können, diese auch tatsächlich kaufen würden, wären wir schon sehr viel weiter.”

Für sie als Christin ist das auch ein spirituelles Thema. “Wie gehe ich mit meinem oder meiner Nächsten um? Konsumiere ich so, dass ich die Schöpfung bewahre und die Menschen, die die Produkte herstellen, nicht entmenschliche?” Diese Gedanken bemüht sie sich als Journalistin, Influencerin und Autorin an andere Menschen weiterzugeben. Letztes Jahr ist ihr Ratgeber mit dem schlichten Titel “Nachhaltigkeit” beim Carlsen Verlag erschienen, einem der führenden Kinder- und Jugendbuchverlage. Das Buch richtet sich an alle Lebensalter, nicht nur an junge Menschen. “Vielleicht lesen Kinder das ja gemeinsam mit ihren Großeltern und kommen darüber ins Gespräch.” Schließlich sei Nachhaltigkeit ein Generationen-Thema. “Und es geht dabei nicht in erster Linie um Verzicht. Sondern darum, was wir alle dabei gewinnen können.”

Das würde wiederum Stephan Kowoll von der Kolping Recycling GmbH freuen. “Ich wünsche mir wirklich, dass wir alle nachhaltiger einkaufen. Solche Kleidung lebt einfach länger und so können durch Wiederverwendung am Ende einfach sehr viele Menschen von einem Kleidungsstück profitieren.”

Marisa Becker: Nachhaltigkeit
Carlsen Klartext, 272 Seiten, Format: 120 x 187 mm
ISBN 978-3-551-32081-0
9,00 € inkl. MwSt.

Von der Plantage bis zur Ladentheke

Ein T-Shirt auf Weltreise

Einmal eine Weltreise zu unternehmen, bleibt für die meisten Menschen ein Traum. Was wir oft nicht wissen: Die Kleidung, die wir am Körper tragen, hat häufig schon eine Erdumrundung hinter sich, zumindest die einzelnen Bestandteile. Ein handelsübliches T-Shirt besteht aus Baumwolle. Dieses Gewächs gedeiht in warmen Gegenden wie Indien, in afrikanischen Ländern oder auch im Süden der USA. Baumwolle, die beispielsweise auf Plantagen im amerikanischen Bundesstaat Virginia geerntet wird, macht sich mit Containerschiffen auf den Weg in die 10.000 Kilometer entfernte Türkei, wo aus dem Rohstoff Fäden gesponnen werden. So verwandelt sich die watteähnliche Baumwolle in dichte Fasern, die ihren Weg anschließend nach Taiwan fortsetzen; abermals rund 10.000 Kilometer. Hier wird das Garn zu Stoffen gesponnen, bevor diese in Form großer Ballen zu Textilfabriken auf dem chinesischen Festland weiterwandern. Das von Natur aus beige Material wird zunächst gebleicht und anschließend in verschiedenen Tönen eingefärbt. Anschließend geht es weiter, beispielsweise nach Bangladesch, wo Näherinnen das eigentliche Produkt herstellen. Wenn das T-Shirt schließlich Deutschland erreicht, hat es nicht selten eine Strecke von insgesamt 35.000 Kilometern zurückgelegt, das entspricht tatsächlich fast einer kompletten Erdumrundung. Im Verkauf geht das Shirt dann für einen einstelligen Euro-Betrag über die Ladentheke – beziehungsweise landet im Paket direkt an unserer Haustür.

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Nachhaltig, günstig – und trotzdem modisch

Seit Jahren scheint sich der Kleidungsmarkt nur in eine Richtung zu entwickeln: schneller, billiger, mehr. Doch längst gibt es auch Gegentrends. Die Influencerin Marisa Becker und die Designerin Kunji Baerwald geben Tipps, wie man sich nachhaltig, günstig und trotzdem schick kleiden kann.

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